Interview mit Katharina Plönes von der UNO-Flüchtlingshilfe
Frage 1: Du hast gemeinsam mit dem Team der UNO-Flüchtlingshilfe und dem UNHCR, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen das Projekt „2 Milliarden Kilometer Richtung Schutz“ gestaltet. Worum geht es bei dieser Kampagne? Warum eine Lauf-Kampagne?
Katharina Plönes: Weltweit sind 65,8 Millionen Menschen auf der Flucht. Familien, die gezwungen sind zu fliehen, nehmen für ihr Überleben außerordentliche Strapazen auf sich. In einer Zeit, in der mehr und mehr Menschen auf Grund von Krisen ihre Heimat verlassen müssen, wollten wir eine Möglichkeit schaffen, Engagement und Solidarität mit denen zu zeigen, die gezwungen sind, tausende Kilometer zu laufen.
UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen hat im letzten Jahr die zurückgelegten Kilometer der Flüchtlinge weltweit erfasst und ist auf einen ungefähren Wert von zwei Milliarden Kilometern gekommen. Nun werden in mehreren Ländern weltweit Menschen aufgefordert, diese zwei Milliarden Kilometer zu laufen und auf unserer Website stepwithrefugees.org einzutragen. Um auf die Situation der Flüchtlinge aufmerksam zu machen und ein Zeichen gegen Fremdenhass zu setzten.
Dass es eine Lauf-Kampagne geworden ist, hat mehrere Gründe: Zum ersten soll es darauf aufmerksam machen, dass es Menschen gibt, die nicht freiwillig laufen und laufen müssen, um sich und ihre Familie in Sicherheit zu bringen. Menschen, die sich mit dem Nötigsten auf den Weg machen, um vor Konflikt und Gewalt zu fliehen und um in eine sichere Zukunft zu gelangen. Für viele war und ist dieser Weg ein Weg in ein neues Leben. Die meisten Menschen in Deutschland laufen freiwillig. Sie denken nicht darüber nach, wie es sein muss, 90 Kilometer am Stück zu laufen, um in Sicherheit zu gelangen und es keine andere Wahl gibt.
Also bieten wir hier all den Menschen, die laufen und sich bewegen, die Möglichkeit, die Leistung der Flüchtlinge, die mit Kraft und Entschlossenheit in eine neue Zukunft gelaufen sind, zu würdigen. Außerdem kann jeder bei unserer Kampagne mitmachen. Egal ob groß oder klein, alt oder jung.
- Kilometer laufen!
- Kilometer eintragen!
- Aktion mit Freunden teilen!
Es geht darum Kilometer zurückzulegen. Ob beim Joggen, beim Spazierengehen, beim mit dem Hund Gassigehen oder Wandern. Es gibt so viele Möglichkeiten, Kilometer zurückzulegen. Egal wer und egal wie alt. Jeder kann mitmachen!
Auch merken wir, wie weltweit die Stimmen gegen Flüchtlinge lauter werden und der Fremdenhass immer stärker wird. Dagegen wollen wir anlaufen und ein Zeichen setzen.
Mit dieser kollektiven Aktion zeigen wir Solidarität, schaffen ein besseres Verständnis für Flüchtlinge und generieren Spendengelder, um Flüchtlinge dabei zu unterstützen, ihr Leben wieder aufzubauen.
Frage 2: Wie wird Flüchtlingen mit dieser Kampagne geholfen?
Katharina Plönes: Um in Sicherheit zu gelangen, nehmen Flüchtlinge die größten Strapazen auf sich. Obwohl viele der Routen gefährlich sind, brechen sie trotzdem auf. Sie laufen in eine unsichere Zukunft, nicht wissend, wo sie landen und wie sie aufgenommen werden.
Wenn nun ein Mensch nach diesem schwierigen Weg in Deutschland ankommt und ihm Abneigung und Hass entgegenschlägt, dann ist das keine Sicherheit. Diese Menschen leben weiterhin in Angst. Wir wollen mit dieser Kampagne ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit setzen und die Menschen in Deutschland informieren, damit geflohene Menschen hier in Sicherheit ohne Angst leben können. Außerdem sehen viele Flüchtlinge beeindruckt dabei zu, wie viele Menschen in Solidarität mit ihnen mitlaufen. Dass eine Kampagnen nur in Solidarität mit ihnen aufgezogen wird, freut sie und lässt sie selbstbewusster und sicherer in ihrem Leben werden. Und natürlich freuen wir uns, wenn sich jemand, der läuft, entscheidet zu spenden, damit wir Flüchtlingen Hilfe zukommen lassen und ihnen Schutz bieten können.
Frage 3: Du machst bei der UNO-Flüchtlingshilfe ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). Welche waren deine bewegendste Momente während des FSJ?
Katharina Plönes: Es gab in den letzten Monaten viele Momente, die für mich bewegend, aber auch lehrreich waren. Ich war zu Anfang überwältigt von den Informationen, die der UNHCR und die UNO-Flüchtlingshilfe bereitstellen. Es ist faszinierend, wo sich der UNHCR alles engagiert und wie man das Leben der geflüchteten Menschen schützt und verbessert.
Viele Mitarbeiter waren selber schon im Feld oder haben Feldbesuche gemacht. Sie haben die Situationen vorort gesehen, erlebt und erfahren, was es heißt, in einem Flüchtlingslager zu leben. So hatten wir Besuch von einem Mitarbeiter des UNHCR, der von seiner Arbeit in den verschiedensten Flüchtlingslagern und den Menschen, denen er begegnet ist, erzählte.
Auch bewegend war für mich eine Aufgabe, die mir zugeteilt wurde. Ich musste einen Text übersetzen, in dem die Geschichten und Erfahrungen von Flüchtlingen geschildert wurden. Die Rohingya Flüchtlinge kamen in dem größten Flüchtlingslager Kutupalong in Bangladesch an, nachdem sie aus Myanmar vor Verfolgung und Unterdrückung fliehen mussten. Sie sollten den wichtigsten Gegenstand beschreiben, den sie auf die Flucht mitgenommen hatten. Die einzelnen Schicksale und Erfahrung dieser Menschen sind grauenvoll und erschreckend. Es ist beeindruckend, wie viel Willenskraft diese Menschen aufbringen, um sich und ihre Lieben in Sicherheit zu bringen.
Eine Geschichte ist mir in Erinnerung geblieben, von Omar einem 102 Jahre alten blinden Mann. Sein wichtigster Gegenstand war sein Lati (ein Gehstock). Er ist aus Myanmar geflohen, weil die benachbarten Dörfer angegriffen wurden. Er folgte den Stimmen der anderen Dorfbewohnern und suchte sich so seinen Weg in die Sicherheit. Irgendwo auf seinem Weg verirrte er sich in einem Mangroven-Wald. Erst nach mehreren Stunden hörte er die Stimmen der Anderen wieder. Nach seiner Ankunft in Kutupalong sagte er: „Wenn du lachst, werden andere mit dir lachen. Und wenn du aufhörst zu lachen, wirst du sterben.“ Mich hat seine Geschichte und die der anderen Flüchtlinge nicht losgelassen.
Ich finde es bewundernswert, wie Menschen, die alles verloren haben und in einem neuen Land neu anfangen müssen, so tapfer und eigenständig sein können. Es ist bewegend zu sehen, dass ich ein Teil einer so großen Organisation sein kann, die den Menschen hilft, die es am dringendsten benötigen.
Frage 4: Welche Rolle spielt das Thema “Bewegung” in deinem Leben?
Katharina Plönes: Mir ist Bewegung sehr wichtig. Mit dem Fahrrad fahren, Kraftsport und ein Spaziergang, um den Kopf frei zu bekommen. Beim Sport kann ich den Kopf abschalten und tue mir selber etwas Gutes. Für mich ist es manchmal schwierig, Motivation zu finden, um mich aus dem Haus zu bewegen. Daher genieße ich es sehr, mit anderen Personen zu laufen oder mich zu bewegen.
Frage 5: Du wohnst in Bonn am Fuß des Siebengebirges. Welchen Ort im Siebengebirge hast du am liebsten und warum?
Katharina Plönes: Es gibt viele wunderschöne Wege und Orte im Siebengebirge und ich bin wirklich froh, dass ich hier wohnen und aufwachsen konnte. Deswegen ist der Weg zum Drachenfels und der Drachenfels selber mit seinem Ausblick mein Lieblingsplatz im Siebengebirge.
Als Kind habe ich immer Sonntagsspaziergänge zum Drachenfels gemacht. Da war der Weg nach oben ein richtiges Abenteuer. Und auch heute laufe ich gerne mit Freunden oder Familie den Weg nach oben, weil der Ausblick sich immer wieder lohnt. Mit diesem Ort hängen für mich so viele gute Erinnerungen zusammen und machen ihn besonders für mich.
Herzlichen Dank für dieses Interviews!
1 Kommentar
Interviews - Kathrin Rosi Würtz, M.A. · Mai 20, 2022 um 8:34 am
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